Ich habe während meiner Künstlerresidenz an drei Werken gearbeitet:
1. Ein Ziel war die Fertigstellung meines alten Werkes „Busengewunder“ (erscheint Mai 2020 im Carlsen Verlag): Dieses Buch besteht aus Episoden meines Werkes meiner wöchentlichen Comic-Kolumne „100 days of Strangelife“, das 2017 bis 2019 im Tagesspiegel Berlin erschienen ist, sowie 6 neuen Episoden, die ich in Gatineau geschrieben, konzipiert, getextet und gezeichnet habe. Außerdem habe ich das Cover des Buches, den Seitenplan und die Reihenfolge der Seiten ausgearbeitet.
Die Storyboards hatte ich schon weitgehend angefertigt, also standen vor allem Reinzeichnungen an. Reinzeichnen ist eine ruhige Arbeit, die lange Konzentrationsbögen fordert. Ich zeichne mit Tuschefüller, schwarzem Kalligrafiepinsel und einer selbst angemischten grauen Gouacheflüssigkeit auf Aquarellpapier. Das Storyboard drucke ich dazu in der bereits richtigen Größe aus, lege es auf den Leuchttisch, klebe das Aquarellpapier mit Tesa fest, und lege los. Die Klebseite des Tesafilms mache ich davor an meinem Pulli staubig, damit sie weniger klebt und beim Abziehen das Aquarellpapier nicht beschädigt. Hier die richtige Balance zwischen nicht zu sehr klebend, aber trotzdem genug klebend zu finden, gehört sicherlich zu den aufregenderen Minuten des zeichnerischen Teils.
Als sehr ungeduldiger Mensch ist die Zeichenphase für mich nach wie vor eine Herausforderung. Das mag verwundern („Wieso hat sie dann diesen Beruf gewählt?“), aber Comiczeichnen besteht eben nicht nur aus dem zeichnerischen Teil, sondern vereint sowohl Aspekte der Geschichtenentwicklung wie Text schreiben, Bildkonzept schaffen, „Regie führen“, als auch ästhetische Aufgaben wie Characterdesign, Lettern oder Colorieren. Ich mag diese Abwechslung. Dazu kommt, dass ich auch als Graphic Recorderin (Livezeichnerin) auf Veranstaltungen arbeite – hier erschaffe alle 5 fünf Minuten ein Bild und darf ich im keinen Preis zögern, denn direkt nach der Veranstaltung werden alle Ergebnisse gezeigt. Das Ergebnis soll verständlich, durchaus ästhetisch, aber kein Kunstwerk sein. Beim Erschaffen von Bildern für ein gedrucktes Buch habe ich einen ganz anderen Anspruch. Dementsprechend länger dauert das Zeichnen. Und dementsprechend mehr Disziplin brauche ich in diesem Teil der Arbeit. Ich belohne mich dafür sehr gerne mit Hörbüchern – in meiner Zeit in Québec habe ich mindestens zehn lange Schinken durchgeackert.
Gleichzeitig ist es schön, beim Zeichnen zur Ruhe zu kommen. Das hat sich in Québéc noch potentiert: durch die Zeitverschiebung kommen bis Mittags E-Mails, bis 15 Uhr vielleicht noch private digitale Anrufe rein. Danach beginnt der störungsfreie Teil des Tages. Ich bin typische Generation X -– Millenial, also zwar ohne Internet aufgewachsen, aber ab der Pubertät komplette Übernahme, seitdem darin eingewickelt. Das Ausbleiben meiner gewohnten Dopaminschübe in den stillen kanadischen Abendstunden hatte seltsame Auswirkungen. Es machte mich nervös, ja ist war mir fast ein bisschen unheimlich. Die Zwangspause ließen mich so drei neue Gewohnheiten entwickeln: a) Durchhalten lernen, b) Ausgiebige Instagramstories konzipieren, um in Kontakt zu bleiben und c) Einen intensiven Sprachnachrichtenaustausch mit einem Comickollegen anfangen, der gerade eine Residency auf Bali verbringt, und ebenfalls 6 Stunden Zeitverschiebung hat – nur in die Andere Richtung. So haben wir uns über ein paar Wochen zu meinem abendlichen Acht Uhr und seinem morgendlichen Acht Uhr Beobachtungen über das zeichnerische Leben um die Welt geschickt.
2. Meine zweite, große Aufgabe war die Überarbeitung und Ausarbeitung eines /70 Seiten langen Comics von 2018, „Die Walpurgisnacht“. Mit dem Konzept und dem Ansatz, die Geschichte stärker in eine Gruselgeschichte zu verwandeln, war ich für die Residency ausgewählt worden. Es geht in der Geschichte um eine alleinerziehende Mutter, die künstlerisch schaffend tätig ist und Geldsorgen hat, In einem Ausbruch der Überforderung verwandelt sie sich in ein Monster und haut ab. Während meiner Künstlerresidenz habe ich das Manuskript komplett überarbeitet, in weiten Teilen neu geschrieben, sowie die Figuren konzipiert und gezeichnet.
Eine Gruselgeschichte in einem einsamen Haus mitten in einem Park in einem fremden Land zu schreiben, ist natürlich geradezu ironisch. Noch dazu bin ich ein ausgesprochen schreckhafter Mensch. Abends saß ich also in meinem knackenden Holzhaus auf einem Sessel im kleinsten Zimmer, alle Vorhänge zugezogen, draußen gröhlende Jugendliche im Park. Auf dem Programm: Gruselfilm Recherche. Eine Hand am Notizblock, die andere vor den Augen, schaute ich Filme wie „A quiet Place“ oder „Psycho“, in denen es vor allem um die emotionale Ausarbeitung der Figuren in der Paniksituation geht. Meine Notizen sahen dann etwa so aus: „Wie kann ich die Figur maximal leiden lassen?“ oder „Nicer Doppeldeutiger Dialog… dieser Hitchcock wieder“. Entspannen konnte ich mich dann wieder bei Filmen mit interessantem weiblichen Characterdesign zur visuellen Inspiration, wie „Prinzessin Mononoke“ oder „Mad Max Fury Road“. Dazu habe ich in mein Skizzenbuch gezeichnet und unterschiedliche kanadische Chips gegessen, inklusive Foodrezenssion auf Instagram (Favourit: Bio Rote Beete Chips, leider natürlich die teuersten).